Monday 28. May 2018

Content:

Sommerdiskurs aus Wirtschaft, Recht und Kultur 2009:

„Polis und Techne“ – Zur Steuerung von Systemwandel

Mag. Caroline Mokrejs

 

 

Raumplanung, Klimawandel, Gesundheitssysteme, Datenschutz sowie Governance waren die Themen des diesjährigen Sommerdiskurses der Universität Wien, der von 6.-8. August in Strobl am malerischen Wolfgangssee stattfand. Das Programm der Sommergespräche, die im Rahmen der Sommerhochschule der Universität Wien stattfinden und von Univ.-Prof. Dr. Franz Stefan Meissel ins Leben gerufen und geleitet werden, zeichnete sich auch dieses Jahr durch sein vielfältiges intellektuelles und kulturelles Angebot aus. Die angenehme Atmosphäre und die schöne Umgebung waren der ideale Rahmen für viele anregende Diskussionen.

 

 

Von der Neuorganisation der Raumplanung …


Der Eröffnungsvortrag mit dem Titel „Probleme der Raumordnung in Österreich – Vorschläge für eine Neuorganisation“ wurde von Univ.-Prof.Dr.Heinz Fassman, Professor für Raumplanung an der Uni Wien sowie Dekan der Geowissenschaftlichen Fakultät, gehalten. Nach einem informativen Überblick über die Geschichte der Raumplanung bzw –ordnung in Österreich, schilderte Fassmann die Problematik der „Querschnittsmaterie Raumplanung“, die nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung auf allen drei Ebenen – Bund,  Land, Gemeinde – zu finden ist, und machte in diesem Bereich einige interessante Vorschläge für einen „Systemwandel“ in der Raumplanung. So sei es nach Fassmann sinnvoll sich in den Raumordnungsgesetzen der einzelnen Bundesländer bundesweit auf zentrale gemeinsame Ziele zu einigen, ebenso wie auf eine einheitliche Terminologie, damit der Planungsmehrwert für die Allgemeinheit ausgeschöpft werden könne.

 

Im Anschluss an diesen anregenden Vortrag entfachte sich eine intensive Diskussion unter den Podiumsteilnehmern. So vertrat SL Univ.-Prof. Dr. Georg Lienbacher, der
Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt ist, vehement die Interessen des Föderalismus in Belangen der Raumordnung und sprach sich gegen eine Vereinheitlichung der Terminologien aus, da dies „kein Wert an sich“ sei. Mag. Markus Seidl, Geschäftsführer der Österreichischen Raumordnungskonferenz, betonte unter anderem die Vielfältigkeit der Steuerungsmechanismen in der Raumplanung, Prokuristin Dr. Astrid Kratschmann von der sBausparkasse schilderte interessante Facetten aus der sozialwissenschaftlichen Forschung zur Situation der Einfamilienhäuser in Österreich und den rezent feststellbaren Trend „hin zur Miete“ und Bundesrat Johannes Peinsteiner konnte als Bürgermeister von St. Wolfgang aus dem reichen Fundus seiner persönlichen Erfahrungen mit Raumplanung im kommunalen und regionalen Bereich schöpfen.

 

 

… über die Transformation unserer Energiesysteme …


"Transformationen der Energiesysteme im Lichte des Klimawandels" war der Titel des Vortrages von Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Arnulf Grübler, einem führenden Klimaexperten und unter anderem Professor an der Yale University und Mitglied des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Grübler legte den Schwerpunkt seiner Darstellungen auf die möglichen Maßnahmen gegen den Klimawandel und den dazugehörigen Wahrscheinlichkeitsrechnungen. Gleich zu Beginn stellt der Klimaexperte – zur großen Betroffenheit des Publikums – fest, dass wir uns entgegen der allgemeinen Auffassungen zum Klimawandel, bereits in ebendiesem Prozess befinden. So ist die Temperatur weltweit um 0,8° angestiegen, eine Erwärmung auf 1,5° ist in den nächsten Jahren unvermeidlich. Es gehe somit nur mehr um eine Schadensbegrenzung, die EU hat sich als ambitioniertes Ziel die Beschränkung der Erwärmung auf 2° festgesetzt, dazu müssten aber in den nächsten Jahrzehnten die Emissionen weltweit drastisch gesenkt werden. Noch weitergehend sieht Grübler als einzige Lösung einen radikalen Systemwandel, nämlich die völlige Beseitigung von Emissionen aus unseren auf Kohle basierenden Energiesystemen, das bedeutet der kompromisslose Umstieg auf alternative Energien und vor allem Energiesparen durch Effizienzsteigerung. Es wurden auch einige Missverständnisse beseitigt, so führe die angebliche Verknappung fossiler Rohstoffe nicht automatisch zur Eindämmung des Klimawandels, sondern ganz im Gegenteil sind die Reserven an fossilen Brennstoffen noch groß genug, um die Erderwärmung ins Unvorstellbare zu steigern. Nach einer Darstellung von Wahrscheinlichkeitsszenarien zum Klimawandel und seinen Auswirkungen wurden auch die möglichen Maßnahmen zu dessen Eindämmung besprochen. Ein Verlass auf die Technologie sei höchst leichtsinnig, nur eine weltweite politische Zusammenarbeit, auch mit den Entwicklungsländern, mache den dringend nötigen Systemwandel sowie Steuerungsmechanismen für den Energiemarkt möglich. Wichtig sei jetzt in langfristige Technologien zu investieren, damit sind zB Häuser ohne Energieverbrauch gemeint, da ihre Entwicklung und Nutzbarmachung für die Bevölkerung jahrzehntelange Anlaufzeiten haben. Hingegen können kurzfristige Technologien, wie Hybridautos und ähnliche eher kurzlebige Güter, in wenigen Jahren entwickelt und auf den Markt gebracht werden. Man müsse sich bewusst machen, dass eine reine Klimapolitik zwar nicht nutzlos ist, aber doch auf gewisse Bereiche beschränkt bleibt und nicht den erwünschten Erfolg herbeiführen kann, solange man nicht auch in anderen Politikbereichen – von etwaigen Regulierungen des Marktes über Probleme des Transports bis hin zu sozialen Fragen – Maßnahmen  ergreift. Andere Möglichkeiten zur Eindämmung der Emissionen wäre zum einen das Modell „Carbon Capture and Storage“, nach dem die Schadstoffe gefiltert und gelagert werden, wobei das Problem des mangelnden Lagerortes und die Gefährdung der umliegenden Bevölkerung der große „Pferdefuß“ dieser Maßnahme sind. Auch das Bauen von Solaranlagen in der Wüste kann zu einigen Problemen führen, sogar zu einer Beeinflussung der Sonneneinstrahlung und somit des Klimas in der Region führen. Die letzte Möglichkeit, um eine weitere gravierende Erwärmung zu verhindern, sei Schwefel in die äußerste Atmosphäre zu schießen, was die überschüssigen Sonnenstrahlen zurück ins Weltall reflektiert. Allerdings hat auch diese Maßnahme einen schwerwiegenden Nachteil, nämlich den Verlust des blauen Himmels, der notwendigerweise zu einem gelbgrauen werde.

 

 

… sowie zum Wandel des österreichischen Gesundheitssystems …


Am zweiten Tage des Sommerdiskurses hielt Univ.-Prof.Dr. Robert Rebhahn, Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien, einen Vortrag mit dem Titel „Wandel im Gesundheitssystem – Ideal und Real“ zur Lage der Krankenkassen- und Versorgungssituation in Österreich. Aufgrund von außer Acht gelassenen Strukturfragen sei etwa die Gefährdung bei Operationen deswegen zum Teil unnötig hoch, weil in manchen Krankenhäusern einfach die „Übung fehle“. Nach Einschätzung der Patienten ebenso wie im internationalen Vergleich wird das österreichische Gesundheitssystem als qualitativ hochwertig angesehen, es überrascht allerdings doch, dass es keine objektiven Daten gibt, die das belegen können. Höchst problematisch ist nicht nur die Fragmentierung von „Zahlern und Planern“, das heißt von Kostenträgern und Leistungserbringern, sondern auch die völlige Intransparenz von Fonds und Zahlungsströmen, die eine klare Planung erschweren. Als Hauptgründe für eine Reformnotwendigkeit sieht Rebhahn die schlechte Koordination von stationärer und ambulanter Behandlung und die daraus resultierende Fehlallokation der Patienten, sowie jene Strukturprobleme, die zu einer paradoxen Situation – Überversorgung neben Mangel – führen. Mögliche Reformmaßnahmen seien zum einen die Transparentmachung des Systems, dh umfassende Information der Patienten, sowie die staatliche Vorsorge für wesentliche Leistungen, ein Wettbewerb unter den Leistungsanbietern und eine neue Form der Finanzierung bzw der Organisation der Krankenkassen.

An der ebenfalls sehr belebten Podiumsdiskussion nahmen Dr. Martin Gleitsmann, Abteilungsleiter der WKO für Sozialpolitik und Gesundheit, Dr. Jan Oliver Huber, der Generalsekretär der Pharmig, und Dr. Helmut Ivansits, Leiter der Abteilung Sozialversicherungen der AK Wien, teil. Huber betonte in der Diskussion sein Befürworten des solidarischen Sozialversicherungssystems sowie das Interesse der pharmazeutischen Industrie am Erhalt der Leistungsfähigkeit eben dieses Systems, und sprach sich für das Festsetzen von Gesundheitszielen in Österreich aus, an denen es hierzulande im Gegensatz zu anderen Ländern mangle. Gleitsmann sah das Hauptproblem in der Finanzierung und stellte fest, dass es an Kommunikation und Koordination fehle. Die Frage nach dem grundlegenden Veränderungsziel stellte Invansits für den auch die fehlenden Qualitäts- und Pflegeberichte ein Missstand sind.

 

 

… hin zu Datenschutz und E-Health-Systems …


Datenschutz und E-Health-Systeme waren das Thema des eindrucksvoll strukturierten Vortrages von Univ.-Prof.Dr. Nikolaus Forgó, Professor für IT-Recht und Rechtsinformatik an der Universität Hannover, mit dem ungewöhnlichen Titel „Einatmen. Ausatmen. Vom Schutz der Intimität im elektrischen Zeitalter“. Nicht nur sei es erschreckend leicht, Personaldaten von beliebigen Menschen aus dem Internet zu bekommen, vermeintlich seriöse Gesundheitsplattformen wie „Google Health“ oder „23andme“ erleichtern die Verbreitung von hochsensiblen Gesundheitsdaten einzelner Personen, wobei datenschutzrechtliche Regelungen außeracht gelassen werden. Forgó stellt fest, dass die E-Health-Systeme ein sog „market for lemons“ sind, Informationsassymetrien führt letztendlich dazu, dass nur mehr Waren schlechter Qualität am Markt vertrieben werden. Auch in Österreich ist das Datenschutzrecht dem Stand der Technik nicht mehr angepasst, es fehlt an rechtswissenschaftlicher Bearbeitung sowie an Regulierungen. Die ständig wachsende Komplexität der Technologie führt zu einem „Recht ohne Juristen“.

 

 

… bis zur Governance and Innovation.


Der Vortrag von Univ.-Prof.Dr. Sylvia Kritzinger beschäftigte sich mit „Innovation und Governance“ im Besonderen mit den theoretischen Grundlage politikwissenschaftlicher Modelle von „Governance“-Mechanismen. Anschauliche Skizzen zeigten den „Weg“ von Regulierungsmaßnahmen im Staat, seien sie nun bindend oder nicht bindend, sowie die diversen Einflüsse bis zum Ergebnis. In der anschließenden Podiumsdiskussion sprachen Univ.-Prof.Dr.Georg Winckler, Rektor der Universität Wien, und Dr. Michael Stampfer, der Geschäftsführer des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds, zu „Governance“ bzw Regulierungsmechanismen in der Universitätspolitik sowie im Bereich der Forschungsförderung.

 

Abgesehen von den zahlreichen interdisziplinären Anregungen, die die Vorträge und die anschließenden Diskussionen mit sich brachten, fehlte es auch heuer nicht an kulturellem Angebot. Am Abend des ersten Tages fand in Strobl ein Kammerkonzert mit Mitgliedern der Wiener Philharmoniker statt und auch am Tag darauf konnten die TeilnehmerInnen der Lesung der österreichischen Schriftstellerin Anna Mitgutsch beiwohnen. Einen angenehmen Ausklang fand der Sommerdiskurs Samstag Abend beim Konzert von „Irishsteirisch“ im Rahmen der 60-Jahr-Feier der Sommerhochschule der Universität Wien.

 

Die malerische Umgebung im Salzkammergut und die hochkarätigen Vortragenden haben den Sommerdiskurs auch dieses Jahr zu einer Veranstaltung mit vielfältigsten intellektuellen und kulturellen Anreizen gemacht. Die belebten Diskussionen mit Experten verschiedenster Bereiche boten die Möglichkeit im Rahmen der angenehmen Atmosphäre dieser Sommergespräche ein wenig „über den Tellerrand hinauszuschauen“ und viele Anregungen daraus mitzunehmen.

 

Als Thema des ins Auge gefassten dritten Sommerdiskurses der Sommerhochschule der Universität Wien Anfang August des nächsten Jahres wurde „Komplexität und Verantwortung“ von Initiator Meissel genannt.

 

 

Mag. Caroline Mokrejs, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Wien und Teilnehmerin des Sommerdiskurses 2009

Innovationszentrum Universitaet Wien GmbH - Sommerhochschule
Campus of the University of Vienna | Alser Strasse 4/Hof 1/Tuer 1.16 | 1090 Vienna | Austria
http://shs.univie.ac.at/