Monday 28. May 2018

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Freiheit und Regulierung

MMag. Sabine Putzgruber

 

 

Regulierung und Freiheit stehen nicht in Widerspruch zueinander. Die Rahmenbedingungen für freie Handlungsmöglichkeiten müssen jeweils erst geschaffen werden. Und zwar mit den Mitteln des Rechts, folglich Regulierung.


Beim 4. Sommerdiskurs in Strobl diskutierten heuer wieder hochkarätige Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zu den Themenbereichen Regulierung des Klimawandels, Steuerung des Gesundheitssystems, Quotenregelungen in der Wirtschaft, Sicherung von Finanzmarktstabilität sowie Regulierungsaspekten im Telekommunikations- und IT-Bereich.

 

Nach der Begrüßung durch den Sommerdiskurs-Initiator Franz-Stefan Meissel (Universität Wien) hielt der renommierte Energiewissenschafter und Professor an der Yale University Arnulf Grübler den eindrucksvollen Eröffnungsvortrag, in welchem er „New Strategies for Regulating Climate Change“ nachging. Statt unverbindlicher Zielvorgaben sollten konkrete Policy commitments stehen, statt internationaler Großkonferenzen seien Allianzen einzelner Staaten anzustreben, die sich auf sektoral gemeinsame Strategien einigen, die womöglich neben der Bekämpfung des Klimawandels auch noch weiteren Nutzen (z.B. Armutsbekämpfung und Senkung vorzeitiger Mortalität) stiften. Mit Grübler diskutierten dann in der von der Sozialwissenschafterin Sylvia Kritzinger (Universität Wien) geleiteten Podiumsdiskussion Florian Ermacora von der EU-Kommission (Generaldirektion Energie), sBausparkasse-Generaldirektor Josef Schmidinger, der das ökonomische und ökologische Potential thermischer Sanierungen schilderte, sowie Alexander Van der Bellen, der von seinen jahrelangen zermürbenden Bemühungen zur Ökologisierung des Steuersystems berichtete.

 

„Frauenquoten“ werden vielfach als Eingriffe in die individuelle Freiheit empfunden. Manche beklagen sie als Ungerechtigkeit, Unternehmen sehen sie als Beschränkung ihrer Handlungsfreiheiten. Unter welchen Gesichtspunkten Quoten aber als legitim und gerechtigkeitsfördernd gesehen werden können, erläuterte die Rechtsphilosophin Elisabeth Holzleithner (Universität Wien) am Vormittag des 4. August. Für die Wirtschaft besonders attraktiv erweist sich dabei das Argument der Steigerung der Produktivität von Boards und sonstigen Gremien, in denen sowohl Frauen und Männer vertreten sind (McKinsey-Studien zum Thema „Women matter“). Diesen Aspekt hob in der folgenden Diskussion, die von Paul Oberhammer (Universität Wien) moderiert wurde, vor allem Saskia Wallner (Geschäftsführerin von Ketchum Publico) hervor, die Frauenquoten als „vielleicht unelegantes, aber notwendiges Instrument“ verteidigte. Sowohl theoretische als auch praktische Überlegungen zum Thema brachten der Geschäftsführer des Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds Michael Stampfer und der Wirtschaftsrechtler Robert Rebhahn (Universität Wien) ein.

 

Der Nachmittag des zweiten Tages des Sommerdiskurses war dem Vergleich der Regulierungsstrukturen unterschiedlicher Gesundheitssysteme gewidmet. Eine vergleichende internationale Analyse bot der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka (IHS), der insbesondere die konträr ausgerichteten Beispiele der USA einerseits und der Niederlande andererseits erläuterte. An der anschließenden Diskussion beteiligten sich der Vorstand des Arbeits- und Sozialrechtsinstituts der Universität Wien Walter Schrammel, die Sozialpolitikexperten Martin Gleitsmann (WKO), Josef Wöss (AK Wien) und Thomas Neumann (SVA Gewerbliche Wirtschaft) sowie der Geschäftsführer der SeneCura Holding Remo Schneider, der für eine bessere Abstimmung und Kommunikation unter den Stakeholdern anhand anschaulicher Beispiele aus der Praxis seiner Pflegeheime plädierte.

 

Inmitten turbulenter Ereignisse auf den Aktien- und Finanzmärkten war die Brisanz des Themas der Finanzmarktstabilisierung allen TeilnehmerInnen der mit hochrangigen Bankenaufsehern und Bankenvorständen besetzten Debatte am Vormittag des 5. August bewusst. Über Lehren aus der (und leider noch: mitten in der) Krise referierten OeNB-Direktor Andreas Ittner und EZB-Statistik-Generaldirektor Aurel Schubert. Die Notwendigkeit der Unterscheidung von „gutem“ (längerfristig orientierten) und „bösem“ Investmentbanking betonte in der Diskussion die Raiffeisen Centrobank-Chefin Eva Marchart, Bedenken hinsichtlich von Basel III im Hinblick auf die kleinteilige österreichische Wirtschaftstruktur deponierte Erste Bank-Vorstand Peter Bosek. Die beunruhigende Frage, ob denn die gegenwärtige Krise überhaupt ohne Betätigung eines „Reset-Button“ (in der Vergangenheit waren das freilich meist bewaffnete Konflikte) gelöst werden könne, warf Wirtschaftsanwalt Ernst Brandl auf.

 

Dem dynamischen Bereich der IT-Wirtschaft und damit verbundenen Regulierungsfragen war der Schlussnachmittag gewidmet. Als Vortragende traten dabei Telekommunikationsregulator Georg Serentschy und der IT-Rechtler Thomas Hoeren (Universität Münster) auf. Impulsstatements der EU-Lobbyistin Irina Michalowitz (Telekom Austria Group), des Medienregulierers Florian Philapitsch (KommAustria) und des IT-Praktikers Klaus M. Steinmaurer (T-Mobile Austria) leiteten die von Nikolaus Forgó (Universität Hannover) moderierte Diskussion ein, bei der, wie schon in den Tagen zuvor, die Notwendigkeit regulatorischer Tätigkeit und zugleich deren Begrenztheit deutlich wurden.

 

Nach drei Tagen intensiven Diskurses, großer Nachdenklichkeit und Ernstes erwies sich die Lesung der Grazer Autorin Olga Flor, die aus ihrem Roman „Kollateralschaden“ vortrug, als bitter-komischer Abschluss, der, so wie auch das Kammerkonzert mit Daniel Froschauer und Philharmonikerkollegen sowie die Bildpräsentation von Velázquez‘ “Infantin“ durch den Kunsthistoriker Konrad Schlegel (Kunsthistorisches Museum) zur kulturellen Komponente des heurigen Sommerdiskurses beitrug.

 

Das in dieser Form wohl einzigartige Format des Dialogs von Universität und Wirtschaft wird im nächsten Jahr (1.-3- August 2012) mit dem Generalthema „Bildung, Geist und Gesellschaft“ Gelegenheit zur Wiederkehr an den Wolfgangsee bieten.

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